• Spuren des BoreasSpuren des Boreas

Über die Bodeninstallation
"Spuren des Boreas"

Gestaltung von Vergänglichkeit

Zum Thema wird dies bei Christa Gebhardts Arbeit "Spuren des Boreas". Achtzehn Platten fügt die Künstlerin so zusammen, dass sie leicht versetzt voneinander drei Reihen bilden.

Ausgangspunkt der Arbeit waren große, über 100 Jahre alte verwitterte Schieferplatten, die ein starker Nordwind von Christa und Johannes Gebhardts Haus geweht hatte. Christa Gebhardt bezieht sich direkt auf dies Ereignis, wenn sie den Arbeiten den Namen des antiken Windgottes gibt und so das Zufällige in den Rang überzeitlicher Dimension erhebt. Daneben macht sie allein schon durch die Benennung der Arbeit klar, welche kreatürliche Kraft über das Werk der Menschen triumphiert hat. Dieser einmalige und auch zufällige Vorgang des Herunterwehens erhält Dauer durch Kunst; denn die Künstlerin beläßt es nicht dabei, sondern nimmt es vielmehr zum Ausgang ihrer Arbeit, indem sie in Ton nachzeichnet, was das Ergebnis einer irrtümlichen, aber auch anonymen Macht war. Der Ton hält vielmehr die Umrisse und Oberflächen der Schieferplatten fest und nimmt die Spuren des Verwitterungsprozesses auf. Das Kunstwerk ist eine höchst ästhetische Angelegenheit; denn die Spuren, die Zeit und Umstände auf den Platten hinterlassen und ihr Abdruck sind im eigentlichen Verstande schön. Was sich auf den einzelnen Platten abspielt, sind die zwar zufälligen aber doch heimlich gestalteten Zeichen einer jetzt in Dauer verwandelten Endlichkeit.

Diese Platten nun ordnet Christa Gebhardt auf dem Boden an, sie installiert sie also nicht als Wandbilder. Skulptur der Art, wie sie die Künstlerin schafft, fragt mehr nach ihrem Verhältnis zur Umwelt, zur Umgebung und zum Leerraum. Das Verhältnis der Bodenskulptur zum Berachter kehrt sich um. Indem sie am Boden liegt, ist sie Teil von ihm, Modifikation des Grundes, korrespondierend mit ihm. Außerdem ist der Lichteinfall verschieden von einem an der Wand hängenden Kunstwerk. Einerseits hebt er das Relief aus dem Grund heraus, andererseits nivelliert er die Unterschiede der auf der Platte befindlichen "Darstellungen". Ein solches künstlerisches Vorgehen könnte den Betrachter dazu verleiten, die Reliefs nur nach ästhetischen Gesichtspunkten zu sehen und zu beurteilen. Tatsächlich aber will Christa Gebhardt mehr. Denn ihre Tonplatten sind nicht nur durch das Einwirken der Natur schöne Kunstprodukte – das sind sie auch –, sondern sie versteht sie als einen Hinweis auf das Vergehen und gleichzeitig seine Überwindung. "Es ist der Versuch, die Spuren der Zeit, der Jahreszeiten festzuhalten. Auch ein Versuch, der Vergänglichkeit etwas abzutrotzen" schrieb sie dazu.

Gerhard Gerkens